Leseprobe: 2. Auflage von „Profit First“ von Mike Michalowicz

Sparschwein © Pixabay 2020 / Foto: Tireline_Avenue

Profit First. Ein einfaches System, jedwedes Unternehmen von einem kapitalfressenden Monster in eine Geldmaschine zu verwandeln

von Mike Michalowicz

in der 2., erweiterten und aktualisierten Auflage

 

Über das Buch:

Entgegen der herrschenden Meinung sind Unternehmer nicht per se reich. Der Autor stellt fest, dass viele Unternehmen eher unrentabel sind und viele Selbständige selbst und ständig arbeiten – und so, dass sie kaum davon leben können. Profit First liefert ein einfaches und überwältigend effektives Buchhaltungssystem, das jedes Unternehmen von einer Geldvernichtungsmaschine zu einer Geldmaschine machen kann. Die zweite Auflage ist erweitert und aktualisiert, sie enthält noch mehr Praxistipps, noch einfachere Zugänge zum System Profit First und weitere Tipps für Fortgeschrittene.

Leseprobe: S. 11-15

 

Einführung

„Ich bin ein Idiot.“

Ich werde den Tag niemals vergessen, an dem Debbie Horovitch vor mir stand und weinte. Durch ihre Tränen hindurch brabbelte sie die ganze Zeit „Ich bin ein Idiot“ – wieder und wieder.

Debbie, die Unternehmerin hinter Social Sparkle & Shine – ein in Toronto, Kalifornien, ansässiges Unternehmen, das sich auf So­cial-Media-Dienstleistungen konzentriert – kontaktierte mich auf einem CreativeLive-Event in San Francisco. Ich war dort, um Strate­gien für Unternehmenswachstum aus meinem zweiten Buch „Pump­kin Plan“ zu lehren. Während einer der Sitzungen erläuterte ich das grundlegende Konzept des Profit-First-Systems. Eines der Instru­mente von Profit First ist das Instant Assessment: eine Möglichkeit, rasch die finanzielle Gesundheit Deines Unternehmens auszuloten. Als ich das Instant Assessment an einem Freiwilligen vorführte, ver­stand jeder im Raum sofort, wie das Profit-First-System funktioniert.

Sämtliche CreativeLive-Präsentationen werden auch zeitgleich online gestreamt, und achttausend Zuschauer waren online dabei. Aus aller Welt erreichten uns Tweets und Kommentare. Weil das Ins­tant Assessment so schnell und einfach ist, war ich nicht völlig über­rascht, dass viele Kommentare der Online-Zuschauer sich darum drehten, dass sie ihre Unternehmen direkt evaluiert hatten. Unter­nehmer, Geschäftsführer, Freiberufler und Selbstständige – alle er­zählten, wie froh sie über diese einfache Methode waren. Als wäre allen plötzlich und umfassend die Finanz-Seite ihrer Firmen klar geworden und als hätte dies zu einer unmittelbar wirkenden Dosis finanziellen Selbstvertrauens geführt.

Und dann kam Debbie während der Pause und sagte: „Können wir mein Unternehmen evaluieren?“

„Klar“, sagte ich. „ Dauert nur ein, zwei Minuten.“

Einen Stift im Mund und umgeben von Menschen, die überall um uns herumwuselten, gingen wir sofort das Instant Assessment durch, als seien wir in einer eigenen Welt. Ich kritzelte ihren Jahres­umsatz auf das Flipchart. Wir berechneten die Prozente. Debbie sah auf die Ergebnisse und begann, gar bitterlich zu weinen. Sie konnte es nicht ertragen zu sehen, wo sie stand und wo sie laut Instant As­sessment hätte stehen sollen.

„Ich bin so ein Idiot“, sagte sie, und Tränen rannen über ihr Ge­sicht. „ Alles, was ich die letzten zehn Jahre gemacht habe, war falsch. Ich bin so blöd.Ich bin so ein Idiot. Ich bin ein Idiot.“

Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich immer mitweinen muss. Wenn jemand zu weinen beginnt, fange ich sofort an mitzu­heulen. Kaum begann Debbie zu weinen, kamen auch mir die Tränen, und der Stift fiel mir aus dem Mund. Ich legte den Arm um Debbie, um sie zu trösten.

Seit zehn Jahren engagiert sich Debbie mit Leib und Seele für ihr Unternehmen. Sie hatte alles gegeben, ihr Privatleben geopfert, um ihren Laden in Schwung zu bringen, und doch hatte sie nach alldem nicht einen müden Penny vorzuweisen (und kein erfolgreiches Un­ternehmen). Natürlich hatte sie die ganze Zeit über gewusst, wie es um ihr Unternehmen bestellt war, doch hatte sie beschlossen, dieser Wahrheit auszuweichen und die Augen davor zu verschließen.

Deine Nase tief in die alltägliche Arbeit zu stecken, ist eine recht einfache Methode, zu verschleiern, wie schlecht es Deiner Firma geht. Wir denken, dass wir nur härter, länger, besser arbeiten müs­sen – wenn wir nur durchhalten –, dann wird eines Tages etwas Gu­tes passieren. Irgendetwas Großes wird passieren, oder? Irgendwas Magisches wird die Schulden verschwinden lassen, die Geldsorgen und den Stress. Das haben wir schließlich verdient, oder? Sollten nicht alle Geschichten so enden?

Liebe Freunde, so läuft das leider nur im Film – im richtigen Le­ben läuft das anders.

Als Debbie das Instant Assessment durchlief, blieb ihr nichts an­deres übrig, als der Wahrheit ins Gesicht zu schauen: Ihr Unterneh­men war kurz davor unterzugehen – die letzten zehn Jahre waren der Kampf gewesen, irgendwie über Wasser zu bleiben –, und es war dabei, sie mit in den Untergang zu reißen. Sie sagte wieder und wie­der: „Ich Idiot, ich Idiot.“

Ihre Worte trafen mich zutiefst, denn ich wusste, was sie durch­machte. Ich verstand haargenau, wie sich das anfühlt, die nackte Wahrheit über mein Unternehmen, mein Bankkonto, meine Strate­gien und meinen hart erkämpften Erfolg anzuerkennen.

Ich habe Profit First ursprünglich entwickelt, um meine eigenen Finanzprobleme zu lösen. Es funktionierte. Eigentlich tat es weit mehr, als zu funktionieren: Es wirkte Wunder. Jahre des Kampfes und finanzieller Probleme lösten sich auf – nicht über Nacht, son­dern innerhalb von Stunden. Ich fragte mich, ob Profit First bloß bei mir und meinem verdrehten Hirn funktionierte oder ob es auch an­deren helfen könnte.

Also probierte ich es mit einem anderen Unternehmen aus, bei dem ich Miteigentümer war, einer kleinen Ledermanufaktur in St. Louis. Es funktionierte. Ich testete es bei anderen Unterneh­men, großen und kleinen. Es funktionierte. Ich schreibe darüber in meinem ersten Buch, in einem kurzen Abschnitt, den man leicht übersieht in einem kurzen, leicht zu übersehenden Abschnitt im „Klopapier-Unternehmer“. Und dann passierte etwas: Ich bekam E-Mails von anderen Unternehmern, die erzählten, dass sie es aus­probiert und Ergebnisse damit erzielt hatten. Ich schrieb darüber im Wall Street Journal und mehr Erfolgsgeschichten erreichten mich.

Nachdem ich mein zweites Buch geschrieben hatte, den „Pump­kin Plan“, nahm ich das Profit-First-System in meine Vorträge mit auf. Nachdem ich Debbie bei diesem CreativeLive-Event getroffen hatte, wurde mir klar, dass Unternehmer mehr brauchten, als bloß einen Abschnitt oder ein Kapitel zum Thema. Zu viele Unternehmenslen­ker lebten und arbeiteten als gequälte Sklaven ihres eigenen Unter­nehmens. Wenn ich einen wirklichen Unterschied machen wollte, um den Debbies (und Mikes) dieser Welt zu helfen, wusste ich, dann musste ich ein Buch über Profit First schreiben.

Profit First wurde im englischen Original das erste Mal 2014 ver­öffentlicht, und seither haben Zehntausende Unternehmer dieses System bei sich eingeführt und ihre Unternehmen transformiert. Sie produzieren nun nicht nur ordentliche Gewinn: Ihre Unternehmen wachsen so richtig. Zwei Fliegen, eine Klappe.

Während ich die aktualisierte Ausgabe dieses Buches verfasse, bin ich rund zwölftausend Meter über Pennsylvania oder Texas oder vielleicht ist es auch Russland. Ich reise so viel dieser Tage, dass ich mich darauf verlasse, dass der Pilot mir sagt, wo ich bin. Meine Mit­reisenden schauen sich Filme an, die sie bereits viermal gesehen haben, erledigen ihre Arbeit oder gönnen ihren Augen eine Pause, gepaart mit offenem Mund und gelegentlichen Schnarchern. Ein paar schauen aus dem Fenster auf die Wolken unter uns. Ich? Ich denke an all die Unternehmen, über die wir gerade hinwegfliegen. In jeder beliebigen Sekunde müssen Tausende von Unternehmen unter uns sein.

Die Small Business Administration (SBA), eine US-Behörde, die für kleine und mittlere Unternehmen zuständig ist, gibt an, dass es allein in den USA 28 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gibt. Die SBA definiert KMU als Firmen, die 25 Millionen US-Dollar oder weniger an Jahresumsatz generieren. Das schließt mein Unternehmen ein, und ich vermute, das schließt auch Dein Un­ternehmen ein. Mann, ey, das schließt sogar Justin Biebers Unterneh­men ein (sein „Kleinunternehmen“ generierte im vergangenen Jahr lediglich 18 Millionen US-Dollar an Musikeinnahmen). Also, das sind 28 Millionen von uns Unternehmer-„Freaks“ allein in den USA. Wenn wir uns das ganze Ausmaß unserer globalen Unternehmerfamilie anschauen, dann sehen wir, dass die Zahl der Kleinunternehmen die 125-Millionen-Grenze überschreitet.1

Das sind eine Menge Unter­nehmer, eine Menge Leute mit Herz, Hirn und Entschlossenheit, die beschlossen haben, dass sie der Welt etwas Wertvolles anzubieten haben, und die losgezogen sind, etwas daraus zu machen.

Das bist Du, mein Freund, ein Unternehmer. Du bist vielleicht in der frühen Start-up-Phase, Deine Pläne und Träume hast Du auf einer Cocktail-Serviette notiert (oder einem Stück Klopapier – Du weißt, wen ich meine, meine KPU-Fans!). Wenn Du gerade erst an­fängst, dann sind das Deine Requisiten. Du wirst Dich von Tag Eins an darauf konzentrieren können, Gewinn zu erwirtschaften, was Dei­ne geistige Gesundheit, Dein Bankkonto und Deinen Hintern retten wird.

Vielleicht hast Du ein Unternehmen aufgebaut oder Du führst eines. Vielleicht hast Du die erste Auflage meines Buches gelesen und möchtest Dein Profit-First-System einen Gang höher schalten. Unabhängig von Deinem unternehmerischen Status, bist Du quasi jemand, der Wunder wirkt. Du kannst Ideen in Wirklichkeit verwan­deln. Du findest Kunden, Du produzierst etwas für sie, Du erbringst eine Dienstleistung für sie und sie bezahlen Dich dafür. Du verkaufst weiter, Du lieferst weiter, Du managst das Geld weiter. Wir alle sind clevere, engagierte Leute. Wirklich clever. Wirklich engagiert. Aber es gibt da ein wirklich verdammt nerviges Problem: Acht von zehn Unternehmen scheitern, und der Hauptgrund für ihr Scheitern ist fehlende Rentabilität. Der Babson-College-Bericht besagt: „Fehlende Rentabilität ist dauerhaft der Hauptgrund, der für eine Betriebsauf­gabe angegeben wird.“2

Bist Du überrascht? Vermutlich nicht. Ich war es nicht. Es ist wahr, und es verleitet mich dazu, meine Sorgen in Margaritaville zu ertränken. Der größte Teil kleiner und mittle­rer Unternehmen und selbst manche Großunternehmen überleben gerade so. Der Typ im neuen Tesla, dessen Kinder vom Chauffeur in ihre Privatschule gefahren werden, der in dieser Riesenvilla wohnt und ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von drei Millionen hat? Er ist nur einen Monat von der Insolvenz entfernt. Ich sollte es wissen: Er ist mein Nachbar.

Die Unternehmerin, die beim Netzwerktreffen sagt: „Es läuft super“, ist die gleiche Frau, die mir auf dem Parkplatz versucht, eine Frage zu stellen. Ich kann sie aber wegen ihres Schluchzens nicht verstehen. Sie weint, weil sie sich seit fast einem Jahr kein Gehalt mehr hat auszahlen können, und kurz davor steht, aus ihrem Haus herauszufliegen. Dies ist aber nur eine von vielen ähnlichen Begeg­nungen, die ich mit Unternehmern hatte, die sich nicht trauen, die Wahrheit über ihre finanzielle Lage einzuräumen.

Der Gewinner des „Young Entrepreneur of the Year Award“ der SBA, der die Welt verändert, der als Genie der nächsten Generation gefeiert wird, dem es bestimmt ist, wegen seiner unternehmerischen Fähigkeiten auf die Titelseite der Zeitschrift „Fortune“ zu kommen, braucht hinter den Kulissen einen Kredit nach dem andern und setzt seine Kreditkarte ein, um die Gehälter zu bezahlen. Ich sollte es wis­sen: Das war ich selbst.

Wie kann das sein? Was machen wir falsch? Ich meine, wir ma­chen alles andere im Grunde richtig oder doch so ziemlich. Wir haben aus nichts etwas gemacht. Und warum sind dann nicht die meisten Unternehmen rentabel?

 

1 http://www.ifc.org/wps/wcm/connect/9ae1dd80495860d6a482b51983b6d16/ MSME‑CI‑AnalysisNote.pdf?MOD=AJPERES.
2 Global Entrepreneurship Monitor 2015-16 Global Report.

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© Pixabay 2020 / Foto: Tirelire_Avenue

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