Polykrisen und unternehmerische Freiheit

  • eine Frau sitzt schreiend und mit den Händen am Kopf verzweifelt an ihrem überfüllten Schreibtisch. Es sieht nach Polykrise aus, nicht nach unternehmerischer Freiheit.Die vergangenen Jahre waren von Krisen geprägt, insbesondere seit der Corona-Zeit, was bei vielen zu Umstrukturierungen und Veränderungen in den Geschäftsmodellen führte. Das Gefühl kam auf, dass die unternehmerische Freiheit durch diese Zwänge eingeschränkt sei.
  • Beispielhaft präsentiert der Blogpost Unternehmer:innen, die ihre Unternehmen und Geschäftsmodelle grundlegend umgestaltet haben, wie von einem mehrköpfigen zu einem kleinen Team oder vom Handel mit Produkten zur Dienstleistung.
  • Ein Paradigmenwechsel findet auch Wissenschaftsverlag –Verlag Barbara Budrich – statt, weg vom Verkauf von Publikationen hin zu Dienstleistungen für die öffentliche Hand, insbesondere durch das Konzept des Open Access.
  • Die Anpassung an neue Zielgruppen wie Bibliothekar:innen und Fördereinrichtungen erfordert eine neue Denkweise, die sich von der Logik eines reinen Wirtschaftsunternehmens unterscheidet.
  • Die Veränderungen auf dem Markt führen auch zu Konzentrationsprozessen, wobei kleine Unternehmen untergehen, fusionieren oder sich mit Mittelständlern zusammenschließen.
  • Krisenzeiten erfordern Flexibilität und die Fähigkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, statt auf dem Status quo zu beharren. Sie bietet Chancen für Innovation und neue Zielsetzungen für Unternehmer:innen – eine Rückbesinnung auf den Kern der unternehmerischen Freiheit.

Gemeinsam durch die Krisen

Vor kurzem saß ich mit meinem Unternehmer-Braintrust NRW zusammen. Wir besprechen dort seit über zehn Jahren mindestens einmal pro Quartal, wo wir stehen mit Blick auf unsere Ziele und beraten uns zu unterschiedlichen Themen – von Steuern über Mitarbeiterführung bis hin zu Investitionen jenseits unserer Unternehmen. Die letzten Jahre – und das kennst du vermutlich – war unser Austausch stark von Krisen geprägt. In der Corona-Zeit haben wir uns wöchentlich online getroffen, um uns kurzfristiger miteinander zu beraten und uns gegenseitig zu ermutigen.

Von der Krise zum Umbruch

Zwei aus unserer Gruppe haben seit 2020 ihr Unternehmen bzw. ihr Geschäftsmodell grundlegend überarbeitet. Einer ging von einem mehrköpfigen zu einem Kernteam und aus seiner Unternehmerrolle ins Operative zurück. Er verkaufte Maschinen und ging von eigener Produktion in die Dienstleisterrolle. Zugleich wechselte er von einem Markt in einen völlig anderen.
Die andere Unternehmerin zog sich ans Reißbrett zurück und strukturierte ihr Unternehmen im Inneren völlig um. Nach außen hin, für ihre Kund:innen war zunächst nicht viel zu sehen. Doch nachdem sie die Umstrukturierung für sich intern durchgearbeitet hatte, war ihr Portfolio zusammengeschnurt auf ganz wenige, zentrale Angebote und Produkte. Mit ganz klaren KPIs.

Panta rhei – alles fließt

Auch in meinem Wissenschaftsverlag (Verlag Barbara Budrich) vollzieht sich ein Paradigmenwechsel: Vom Händler mit Produkten (nämlich Publikationen) werden wir zum Dienstleister für die öffentliche Hand.
Zu Beginn meiner Selbstständigkeit vor rund 20 Jahren lebten wir zu rund 100% vom Verkauf unserer Bücher und Zeitschriften – gedruckt oder digital. Der Anteil des Digitalumsatzes nahm über die Jahre mehr und mehr zu, bis er während der Pandemie den Printumsatz endgültig überholte.
Doch bereits während der letzten zehn Jahren gab es eine weitere Verschiebung bei unseren Einkommensströmen: Durch eine Publikationsform, die sich Open Access nennt, werden wir mehr und mehr zum Dienstleister. Bei Open Access sind unsere Veröffentlichungen für jede:n kostenlos und frei zugänglich – keine Registrierung, keine E-Mail, keine Daten, kein Geld. Wenn also ein Professor seinen Forschungsbericht bei uns veröffentlichen möchte, bezahlt seine Universität eine Gebühr dafür. Wir machen Beratung, Lektorat, Herstellung, Marketing und Vertrieb, der Autor schreibt, überarbeitet, korrigiert und freut sich am Ende über sein Buch. Das gedruckte Buch ist wie früher gegen Geld erhältlich. Doch das eBook ist für alle kostenlos und frei zugänglich. (Falls du mehr darüber wissen möchtest, habe ich einen Blogpost zu Open Access Grundlagen verfasst.)

Wenn die Rahmenbedingungen sich ändern

Wir haben uns Open Access nicht selbst ausgedacht. Ich halte es nicht einmal für eine besonders clevere Lösung der Haushaltsprobleme der öffentlichen Hand. Und schon gar nicht für eine „Demokratisierung von Wissen“, wie vielfach behauptet wird. Doch besteht die Wissenschaftspolitik auf diesem System. Viele Autor:innen sind begeistert. Also bieten wir es an.
Die neue Zielgruppe der Bibliothekar:innen und Fördereinrichtungen hingegen ist für mich eine schwierige Größe. Mir sind die Büchermenschen selbstverständlich sympathisch, doch die Logik dieser Einrichtungen stimmt nicht mit der Logik eines Wirtschaftsunternehmens überein. Bin ich ein großer, machtvoller Player mit zahlreichen Einkommensströmen, komme ich mit den Unwägbarkeiten dieser Zielgruppe vielleicht gut zurecht. Aber die Logik von Haushaltsjahren, Dezemberfieber (wenn zum Jahresende die Mittel schnell noch aufgebraucht werden müssen), Quantitäten und einem von Verwaltungen getriebenen Kampf um Mittel geht nicht ganz mit unseren Bedürfnissen nach wirtschaftlicher Kalkulierbarkeit und qualitätsgetriebener Programmentwicklung einher. Also passen wir uns an.

Unternehmerische Freiheit

Auch viele meiner Verlagskolleg:innen sind nicht nur begeistert von diesen Wendungen. Nur wenige haben ihre Verlage gegründet oder sind in Führung gegangen, weil sie die Zielgruppe der öffentlichen Hand und Verwaltung im Blick hatte.
Diese Entwicklungen führen im Übrigen auch zu Konzentrationsprozessen am Markt: Die Kleinen gehen unter oder werden gefressen. Manche Kleinen schlüpfen und den behütenden Flügel von Mittleren. Mittelgroße Player, zu denen auch wir gehören, schließen sich zu Gemeinschaften zusammen.
Derartige Entwicklungen gab es schon häufiger. Und es wird sie immer wieder geben. Beschneiden sie meine unternehmerische Freiheit?

Die berühmten Sachzwänge

Angela Merkel sprach gern von „Alternativlosigkeit“ oder „Pfadabhängigkeit“, früher nannten wir es Sachzwang. Meine unternehmerische Freiheit ist immer abhängig von einer gewissen wirtschaftlichen Logik: Wenn mein Geschäftsmodell nicht funktioniert oder die Entwicklungen vermuten lassen, dass es über kurz oder lang nicht mehr funktionieren wird, dann habe ich die unternehmerische Freiheit zum Umbau.
Während der Pandemie habe ich mich auf Facebook über viele meiner Freund:innen gewundert: Vor allem über meine Unternehmerkolleg:innen, die auf dem „Status quo ante“ beharrten, wie meine gelehrten Freund:innen das nennen. Sie wollten, dass alles wieder „normal“ wird. Die Verhältnisse, sie sind einfach nicht mehr so, wie sie mal waren. Ich kann das Internet als vorübergehende Erscheinung bezeichnen und mich dann aber husch-husch anpassen und sogar in Führung gehen, wie Bill Gates es vorgemacht hat. Ich kann KI als Werkzeug des Teufels verfluchen und mit meinem eigenen Unternehmen machtvolle Werkzeuge auf den Weg bringen, wie Elon Musk es als enfant terrible der heutigen Weltwirtschaft vormacht.
Ich selbst kann darauf beharren, dass ich meinen Verlag gegründet habe, weil ich gemeinsam mit den von mir so geschätzten Wissenschaftler:innen den Sozialwissenschaften ihre Strahlkraft zurückgeben möchte. Oder ich kann Wege finden, dies auch im neuen Umfeld unter den neuen Bedingungen hervorragend zu tun.

危机 (Wéijī): Krise = Risiko und Chance

Eine Gruppe von sehr unterschiedlichen professionell gekleideten Unternehmer:innen steht vor einem Bücherregal.Wir stehen alle vor einer Vielzahl an Herausforderungen, der Begriff Polykrise hat sich in unsere Sprache gemogelt. Doch was sind wir Unternehmer:innen? Unternehmer:innen sind Problemlöser:innen. Krisen bestehen aus Problemen. Darin liegen selbstverständlich Risiken. Für Unternehmer:innen liegen darin vor allem Chancen, indem wir die Probleme lösen.
Für unseren Verlag Barbara Budrich liegt das Risiko im Beharren auf dem Status quo ante. Die Chance liegt im Entwickeln neuer Geschäftsmodelle und guter Beziehungen zu unseren neuen oder alten Kund:innen. Ich bin natürlich schon mittendrin im Auf- und Umbau.
Schau dich um: Welche Krise „gehört dir“? Welche Probleme möchtest du für welche Zielgruppe lösen? Das sind die klassischen Fragen für alle Gründer:innen. Doch auch Fragen, die wir uns in diesen Zeiten des rasanten Wandels regelmäßig stellen dürfen.
Wenn du dich diesen Fragen nicht allein stellen möchtest, suche dir eine Gruppe gleichgesinnter Selbstständiger und Unternehmer:innen. Zum Beispiel beim Master of Inspirited Business.

Porträt von Barbara Budrich mit offenen langen Haaren und Jacket, freundlich lächelnd.Unternehmerin, ILT-Trainerin und Autorin Barbara Budrich ist seit 2004 mit ihrem eigenen Wissenschaftsverlag erfolgreich selbstständig und hat nach und nach weitere Unternehmen gegründet. Anderen Unternehmer:innen und Selbstständigen zu mehr unternehmerischem Erfolg zu verhelfen, ist ihr ein großes Anliegen.

 

 

© Budrich Porträt: Privat
Die übrigen Bilder sind erstellt mit Leonardo.ai

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