Schulden abbauen – Leseprobe aus „Profit First“ von Mike Michalowicz

Eine Crash-Diät führt Dich nicht aus den Schulden

Elegant gekleidete Armut bleibt Armut. Bloß weil Dein Unterneh­men jede Menge Umsatz generiert, heißt das noch lange nicht, dass das Geld auch bei Dir bleibt. Zu viele Unternehmer glauben, dass die „Top Line“ – der Umsatz – der Erfolgsindikator ist, und benehmen sich dann entsprechend. Ein neuer großer Kunde kommt an Bord und der Unternehmer vergrößert sein Büro. Du landest einen gro­ßen Deal, und der führt zu einem teuren Abendessen. Es ist so, als würdest Du Frankensteins Monster einen Frack anziehen und es zu „Puttinʼ on the Ritz“ (hey, Mel Brooks) tanzen und singen lassen. Das Monster sieht vielleicht so aus, als hätte es alles gut im Griff, aber das stimmt nicht. Ein kleiner Fehler in der Verkabelung – etwa dass der große Kunde beschließt, seine Rechnung nicht zu bezahlen – und das Monster läuft Amok. Alles fliegt Dir um die Ohren.

Als ich die erste Auflage von „Profit First“ schrieb, klingelte mein Handy: Mein Freund Pete rief an. Ich hatte seinen Anruf erwartet: Wir wollten an diesem Wochenende in New York gemeinsam essen gehen. Und da Pete in New York wohnt, kennt er sich gut aus. Ich dachte, er riefe an, um mir zu sagen, wie der Abend laufen würde. Der Anruf fiel wider Erwarten ganz anders aus.

„Es tut mir leid, Mike, ich schaff das nicht mit dem Essen am Wo­chenende“, sagte Pete. Er klang angespannt.

„Verdammt, das ist ja blöd! Ich hatte mich so darauf gefreut. Aber kein Problem, alter Kumpel. Dann lass uns einen anderen Termin fin­den“, schlug ich vor und blätterte durch meinen Kalender. „Was ist los? Termin außerhalb?“

„Äh, ja, genau, so ähnlich. Ehm. Nein, nicht wirklich“, sagte Pete. Dann seufzte er und sagte: „Ich, ehm … bin pleite, Mike. Ich bin pleite. “

Pete schilderte mir, dass seine Bank angerufen und seine Kredit­linie gestrichen hatte. Ich bin nicht sicher, ob Du dieses Verfahren kennst, aber es funktioniert so: Du bekommst von Deiner Bank eine „Kreditlinie bis auf Weiteres“. Dein Bankkonto funktioniert quasi wie Deine Kreditkarte: Du kannst so viel Geld abheben, wie Du willst, solange Du Dich innerhalb der vorgegebenen Kreditlinie bewegst. Und zahlst das dann nach und nach zurück. Solange Du die Zinsen begleichst und jeden Monat ein Minimum zurückzahlst, ist alles gut.

Außer dieser kleinen fiesen Regel im Kleingedruckten, die da besagt, dass die Bank den gesamten Kredit jederzeit zurückfordern kann. Selbst wenn Du jeden Monat Deine Raten gezahlt hast. Und selbst wenn Du keine großen Schulden hast, kann die Bank Deine Kreditlinie ohne Vorwarnung streichen. Und wenn die Bank anruft, um Dir Bescheid zu sagen, dass sie Deine Kreditlinie streicht, dann hast Du 30 Tage, um jeden Cent zurückzuzahlen.

Pete bekam diesen Anruf. Seine Kreditlinie? Eine Million Dollar. Der Betrag, den er ausgeschöpft hatte? Eine Million Dollar. Der Be­trag, den er als Reserve für sein Unternehmen zurückgelegt hatte? Null. Überflüssig zu erwähnen, dass das Essen in Manhattan nicht stattfinden würde.

Pete kämpfte mit den Worten: „Mike, kannst Du mir helfen? Ich tue, was Du sagst. Ich tue alles. Wenn Du mir sagst, ich soll nackt durch die Straßen laufen: Ich mach’s!“

Natürlich erklärte ich mich bereit, ihm zu helfen, aus diesem riesigen Schuldenschlamassel wieder herauszukommen. Eine Tour nackt durch die New Yorker Straßen hätte vielleicht etwas Aufmerk­samkeit gebracht und mir genügend Stoff zum Lästern für die nächs­ten Jahre gegeben, aber es hätte sein Schuldenproblem nicht gelöst (vor allem nicht bei den Strafen, die auf Erregung öffentlichen Ärger­nisses stehen). Also verbrachten wir die nächsten zwei Stunden an diesem Abend am Telefon und besprachen Profit First im Detail.

Zuerst war Pete sehr verwirrt. Wieso sprach ich über Gewinn, wo er doch so tief in der Patsche saß? Vielleicht geht es Dir ja genau­so? Ich verstehe das. Es ist total schwer, an Gewinn zu denken oder gar darauf hin zu planen, wenn Du in einer so furchtbaren Situation steckst wie Pete. Vielleicht hast Du keine Million Schulden, aber ich könnte wetten, dass es sich unabhängig von der Höhe Deiner Schul­den so anfühlt, als wäre es eine Million – zumindest manchmal.

Dies ist der ultimative Überlebensmoment. Wenn Du Deine ganze Energie darauf lenkst, die Schulden zurückzuzahlen, dann ist es das Einzige, was Du je erreichen wirst. Du wirst Dich weiterhin hauptsächlich auf Deinen Umsatz konzentrieren, was vermutlich dazu führt, dass Du noch mehr Schulden machst.

Wir können fast jede große Veränderung zu einem Schlüssel­moment zurückverfolgen, an dem der Schmerz des Verharrens in einer bestimmten Situation größer ist als die Mühen der Tatsachen­verdrängung. Nenn es Wendepunkt oder Weckruf: Wie auch immer Du es nennen magst, die Entscheidung bleibt die gleiche. Wirst Du die Krise irgendwie überstehen oder das Problem an der Wurzel an­gehen?

Wenn das Leben die „Kreditlinie streicht“, handeln wir. Das Prob­lem ist bloß, dass wir die meiste Zeit mit dem engen, drängenden Fo­kus darauf reagieren, den aktuellen Schmerz erträglich zu machen. Wir setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um uns selbst aus die­ser Klemme zu befreien, und verschwenden kaum einen Gedanken darauf, wie wir eine dauerhafte Veränderung herbeiführen können. Warum nehmen so viele Menschen, die abgenommen haben, die glei­chen Kilos wieder zu (und vielleicht noch ein paar obendrauf)? Weil sie, sobald sie ihr Ziel erreicht haben, zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren. Klar, niemand möchte für den Rest seines Lebens täg­lich vier Liter Wasser trinken und jeden Morgen Grapefruit essen oder so viel Zeit auf dem Stepper verbringen, dass man über eine fes­te Beziehung mit dem Ding nachdenkt. Der Schmerz, fett zu sein, ist fort – warum sollte man einen weiteren Spinning-Kurs mitmachen?

Wenn der Schmerz erst einmal weg ist, dann sind auch die Ak­tivitäten, zu denen wir uns am Wendepunkt entschlossen haben, verschwunden. Grapefruit wird durch Gummibärchen mit Grape­fruit-Geschmack ersetzt. Wasser wird zu Limonade. Und der Step­per kommt in den Keller, auf den Friedhof der guten Vorsätze. Ist es da ein Wunder, dass das Gewicht wiederkommt – und zwar mit Macht? Schließlich hast Du im Hinterkopf, dass Du das Gewicht mit Leichtigkeit wieder loswerden kannst. Was macht es da aus, wenn Du ein paar Gramm zunimmst? Du kannst jederzeit wieder auf eine Crash-Diät gehen. Oder Dich beim Biggest Loser bewerben. Und na­türlich bleibt da auch immer noch „die Operation“.

Was mein Freund Pete vorhatte, war ein ähnliches Vorgehen in einer anderen Krise. Er hatte etwas Ähnliches wie einen finanziel­len Herzinfarkt erlitten. Als sein großer Moment kam, wurde er zu einem Mann mit einer Mission – weg mit diesen Schulden, sofort! Seine Aktionen (oder eher Reaktionen) waren die finanzielle Varian­te einer Crash-Diät. Er verschwendete keinen Gedanken daran, wie er sein Unternehmen nachhaltig gesund machen könne.

Wenn es Pete gelingt, diese Krise im Crash-Diät-Modus zu über­winden, wie stehen die Chancen, dass er sich in ein paar Monaten oder Jahren in einer ähnlichen – oder schlimmeren – Situation wie­derfindet? Die Chancen stehen gut, so gut, dass ich sagen würde: Die­se Wette gewinne ich.

Selbst wenn Du und Dein Unternehmen bis Oberkante Unter­lippe in Schulden steckt, musst Du es Dir zur Gewohnheit machen, Deinen Gewinn an erste Stelle zu setzen. Du musst Dich immer noch (und immer wieder) selbst zuerst bezahlen. Wenn Du Deine finanzielle Gesundheit auf der Basis dieses Systems zur Gewohnheit machst, dann wirst Du das Problem langfristig in den Griff bekom­men. Finanzkrisen werden ein Phänomen der Vergangenheit sein, denn wenn jemand Deine Kreditlinie streicht, dann wirst Du genug Geld haben, um zu bezahlen.

Zu Pete sagte ich damals: „Wenn Du Schulden hast, ob nun Tau­sende oder eine Million oder einen Betrag dazwischen, dann musst Du diese Schulden ein für alle Mal loswerden, während Du zeitgleich langsam und systematisch Gewinn aufbaust. “

Profit First richtet Deinen Fokus darauf, ein supergesundes Un­ternehmen aufzubauen, das so arbeitet, wie Du Dir das wünschst, um Deinen idealen Kunden Produkte und Dienstleistungen zu bie­ten. Dieser Laserfokus hält Deine Kosten automatisch niedrig, wäh­rend Du Deine Schulden schneller zurückzahlen und nach und nach Deine Gewinn-Prozente hochfahren kannst. Der Trick ist, dass Du bei der Gewinnausschüttung 99 % des Geldes zum Tilgen der Schulden verwendest. Das eine Prozent, das übrig bleibt, ist für Dich zur Be­lohnung. So gehst Du Deine Schulden aggressiv an und stärkst zu­gleich Deine Profit-First-Gewohnheiten.

Kurz gesagt, wenn Du Profit First erst dann implementieren willst, wenn Du alle Schulden zurückgezahlt hast, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass Du je Dein Unternehmen so effizient führst, dass Du Deine Schulden für immer loswirst und einen dauerhaften Gewinnstrom fließen lassen kannst. Fang sofort mit diesen Gewohn­heiten an, und über die Zeit werden die 99 % mithelfen, Deine Reser­ven und die Gewinnausschüttung an die Anteilseigner zu erhöhen.

Hab mehr Freude am Sparen als am Geldausgeben

Ich zappte mich eines Sonntagmorgens durch die Fernsehkanäle. Als ich Suze Orman sah, wie sie einer Gruppe von etwa 50 Leuten eine Finanzstrategie für Privatvermögen erläuterte. Inmitten ihres Vortrags hielt sie inne, ließ den Blick über ihr Publikum schweifen und sagte: „Die Lösung für Schulden ist ganz einfach: Wenn Du Deine Schulden loswerden möchtest, musst Du mehr Freude dabei empfin­den, Geld zu sparen, als dabei, Geld auszugeben. “

Bei diesen Worten ging mir ein Licht auf. Ich stellte meinen Kaf­fee ab und starrte aus dem Fenster. Suze sprach weiter, aber ich war in meinem Aha-Moment so gefangen, dass ich nichts mehr hörte. Ich wiederholte in meinem Kopf nur wieder und wieder, was sie über das Thema „Sparen statt Ausgeben“ gesagt hatte. „Das ist es“, dach­te ich. Vermögen ist ein Spiel der Emotionen. Unternehmenserfolg ist ein Spiel der Emotionen. Profit First ist ein Spiel der Emotionen. Zentral ist, welche Geschichte wir uns darüber erzählen, was wir tun. „Macht mich das, was ich tue, glücklich oder nicht?“

Wenn Dich etwas in diesem Augenblick glücklich macht, dann machst Du das weiter. Wenn Geldausgeben Dich glücklich macht, dann gibst Du mehr aus. Und Geldausgeben kann alles sein, von einer neuen Hose über eine Neurekrutierung bis hin zu einem Schulden­berg. Wenn Sparen Dich glücklich macht, dann suchst Du nach neuen Möglichkeiten, noch mehr zu sparen. Rabattgutscheine, Sonderak­tionen, Wühltische – himmlisch. 100 % sparen, weil Du die Ausgabe komplett gestrichen hast? Nirwana.

Als ich Suze an diesem Tag über diese ganze „Schmerz und Freude“-Motivation habe sprechen hören, die Anthony Robbins seit Jahren predigt, habe ich es endlich verstanden. Der Moment des Schmerzes ist der Tritt in den Hintern, wenn Du endlich sagst, es reicht. Schmerz ist ein starker Antriebsmotor. Für mich kam dieser Moment des Schmerzes, als meine Tochter mir ihr Sparschwein zu­schob, um die Familie vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Für Pete war es der Anruf seiner Bank. Schmerz reicht aber nur, damit Du genug tust, um den unmittelbaren Schmerz zu überwinden. Da­nach bringt er Dich nicht weiter. Suze hat mir die andere Hälfte bei­gebracht: Freude. (Mach’s nicht. Lass Deine Gedanken jetzt nicht dorthin wandern. Und … nun ist es passiert. Perversling. )

Die Voraussetzungen sind einfach: Wir vermeiden Schmerz und steuern auf das zu, was uns Freude bereitet. Dabei ist der jetzige Mo­ment für uns von großer und das Längerfristige von untergeordneter Bedeutung. Der unmittelbare Schmerz bringt das Ganze ins Rollen, aber Freude hält es in Bewegung. Vermutlich hast Du dieses Buch zur Hand genommen, weil Du Schmerz empfunden hast. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass Du rasch Erfolge siehst, weil Dein Einsatz den Schmerz lindert. Doch Du kannst das Ganze nur dann für immer aufrechterhalten, wenn Du Freude an Deinen neuen Gewohnheiten hast. Wie im Fitnessstudio kannst Du nur einige Male trainieren, be­vor der Schmerz über Dein Bäuchlein im Spiegel all die Mühen nicht mehr wert sein wird. Die einzige Möglichkeit, dies in eine nachhalti­ge Gewohnheit zu überführen, ist wenn Du beginnst, Dein Training zu genießen.

Lass es Dich mehr genießen, Geld zu sparen, als Geld auszuge­ben. Empfinde mehr Freude, wenn Dein Gewinn wächst (und nicht bloß, wenn der Umsatz wächst). Empfinde tonnenweise Glück, wenn Du Deine Gewinn-Prozente steigern kannst.

Wenn Du Dich dafür entscheidest, kein Geld auszugeben, dann mache Dir das bewusst. Klopf Dir selbst auf die Schulter. Führe einen Freudentanz auf. Feiere jedes Mal, wenn Du Geld sparst – seien es zehn Euro oder zehntausend. Mach Deine Lieblingsmusik an und dreh sie richtig laut auf: Mach Dir selbst richtig gute Laune. Sorge dafür, dass sich Deine Kinder im Einkaufszentrum für Dich schämen. Ach was, blamier Dich bis auf die Knochen! Mit der Zeit wirst Du Dich selbst darauf kondtionieren, Glück und Freudenfeste damit zu ver­binden, wenn Du Dich entscheidest, Geld zu sparen, statt es auszu­geben.


Leseprobe aus

Unternehmensfinanzen: Profit First

Mike Michalowicz: Profit First. Ein einfaches System, jedwedes Unternehmen von einem kapitalfressenden Monster in eine Geldmaschine zu verwandeln, S. 156-160

2., erweiterte und aktualisierte Auflage

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