Neue Chancen für Unternehmensfinanzprofis
„Sich dem technologischen Fortschritt zu verschließen, ist einfach nicht sonderlich clever.“ – Martijn Aslander
Die Geschichte von Peter und Greg beginnt folgendermaßen.
Peter entwickelt Apps und ist ziemlich gut darin. Du kannst ihm deine Ideen erzählen und er wird sie umsetzen. Und nicht nur für dich – er arbeitet vor allem für große internationale Unternehmen. Ein ziemlich cooler Typ, dachte ich. Er nahm Kontakt zu mir auf, weil er, wie er erklärte, „nicht so mit Zahlen konnte“. Bei einem Jahresumsatz von über 300.000 Euro mit steigender Tendenz hatte er das Gefühl, er müsse seine Finanzen besser in den Griff bekommen. Er machte nicht ausreichend viel Gewinn und fühlte sich zunehmend unwohl mit der finanziellen Seite seines Unternehmens. Ich wollte Peter helfen, ein finanziell gesundes und rentables Unternehmen zu erschaffen.
Um Peters Unternehmen besser verstehen zu können, besuchte ich ihn. Er hatte eine Riesengarage neben seinem Büro. In der Garage waren neben seinen großen Servern zwei VW-Busse untergebracht. „Superschön“, sagte ich.
Sofort begann Peter voller Enthusiasmus über diese VW-Busse zu erzählen. Sie waren sein ganzer Stolz. Er hatte Spaß daran, an ihnen herumzubasteln. „Aber“, sagte er mit traurigem Blick, „ich habe keine Zeit mehr dafür. Ich arbeite 14 Stunden pro Tag.“ Ich konnte seinen Schmerz spüren. Und meine Motivation stieg, ihm dabei zu helfen, seine Finanzen in den Griff zu bekommen.
Wir gingen in sein Büro, wo er mir erläuterte, wie er seine Finanzen managte. Seine Geschichte war mitnichten einzigartig. Er verwendete viel Energie auf die Buchhaltung. Am Ende eines jeden Quartals durchsuchte er jeden Winkel seines Büros nach Belegen, damit er seine Umsatzsteuer melden konnte. Er prüfte seinen Kontenstand täglich und wenn er einen Geldeingang entdeckte, atmete er erleichtert auf, denn das hieß, dass er seine Rechnungen bezahlen konnte.
Es gab viel Raum für Effizienzsteigerungen. Zum Beispiel kostete das Fehlen eines ordentlichen Prozesses sowohl ihn als auch seinen Steuerberater jede Menge Zeit und hart verdientes Geld, doch die fehlende Transparenz stellte sogar ein noch größeres Problem dar. Als ich ihn fragte, welche Marge er bei seinen Apps hätte, konnte er das nicht beantworten. Er stellte häufig Computernerds ein, die ihm bei der Softwareentwicklung halfen. Auch waren seine Investitionen in IT beträchtlich. Doch hatte er keine Ahnung, wie hoch sein Gewinn war. Die Berichte aus dem Steuerbüro halfen ihm ebenfalls nicht weiter. Als wir uns trafen, war der letzte Jahresabschluss über zwei Jahre alt! Da ich keine Archäologin bin, hatte ich daran kein Interesse.
„Er ist ein guter Steuerberater, glaub mir“, sagte Peter. „Und nicht billig. Ich zahle ihm mehr als 7.000 Euro pro Jahr.“ Ja, klar. 7.000 Euro für Dinosaurier-Ausgrabungen. Und je tiefer ich grub, desto schlimmer wurde es.
„Was zahlst du dir?“, fragte ich, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie viel man als App-Programmierer so verdient.
„Nichts“, sagte er. „Wir leben vom Gehalt meiner Frau. Ich investiere alles, was ich habe, in die Firma.“
Ich weiß, dass „investieren“ häufig ein Euphemismus ist für „Kosten, Kosten und noch mehr Kosten“, deshalb wurde ich noch unruhiger. Hier war ein Mann voller Leidenschaft. Der beste App-Programmierer im Lande. Er wusste, wie er an Kunden kam, und er konnte verkaufen. Ein Umsatz von 300.000 Euro kommt schließlich nicht von selbst. Und zeitgleich hatte er keine Ahnung, wo er stand, wo er hinwollte oder wie er irgendwohin gelangen konnte. Sein Steuerberater half ihm auch nicht, denn der war zwei Jahre im Rückstand. Die Kombination aus einem altmodischen Steuerberater und dem Fehlen der richtigen Prozesse kostete ihn jede Menge Geld. Er hatte keine Zeit für sein Hobby und seine Frau verdiente für sie beide.
Doch es gab etwas, das mir noch mehr Sorgen bereitete. Peter war sich nicht einmal der Tatsache bewusst, dass er ein finanziell krankes Unternehmen führte. Er dachte, die Dinge liefen gut (weil der Umsatz hoch war) und dass er clever war (weil er alles wieder in sein Unternehmen „investierte“). Doch ein Unternehmen, das keinen Gewinn macht, ist kein gesundes Unternehmen. Ein Unternehmen, das dich nicht versorgt, ist kein stabiles Unternehmen. Peter baute nichts auf: Er kreierte ein geldvernichtendes Monster. Und am schlimmsten war: Er war vollkommen ahnungslos, wie schlimm die Situation wirklich war. Er arbeitete seit fünf Jahren auf diese Art und Weise. Er hatte einen guten Ruf. Er war der Beste im Lande. Ihm war nicht klar, dass er nichts aufgebaut hatte. Wenn er Urlaub machte, käme sein Unternehmen zum Stillstand. Ohne ihn gab es kein Unternehmen. Und mit Peter gab es eigentlich auch kein Unternehmen.
In einem letzten Versuch, Peter die Ernsthaftigkeit seiner Situation klarzumachen, sagte ich, „Peter, wenn du die letzten fünf Jahre angefangen hättest, Zeitungen auszutragen, anstatt dein Unternehmen zu gründen, hättest du jetzt mehr Geld und hättest zwölf Stunden täglich an deinen VWs basteln können.“ Ich sah, dass ihn das verblüffte, doch ich konnte auch sehen, dass der Schock mit Unglauben gemischt war.
Wir verabredeten einen Folgetermin mit seinem Steuerberater. Um zu verstehen, in welche Richtung wir gehen sollten, musste ich zunächst wissen, wo wir standen.
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Dieses Kapitel gibt dir eine grobe Übersicht über die Entwicklungen im Steuerberaterwesen, die wahren Bedürfnisse von Unternehmern und die neue Rolle von Finanzexperten.
Im ersten Abschnitt stelle ich dich vor die Herausforderung, Buchführung nicht länger als dein Hauptziel anzusehen, sondern als die unabdingbare Voraussetzung, auf die du deinen Ruf als Gewinnberaterin oder Gewinnberater aufbaust. Dann richte ich den Blick auf die Unternehmer selbst: Warum brauchen sie einen Gewinnberater? Im dritten Abschnitt diskutieren wir die Innovationen, die unserem dringenden Bedarf zugrunde liegen, unsere Profession neu zu erfinden. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels kümmern wir uns um die Bedeutung dieser Innovationen für deinen Bereich.
Buchführung ist nicht das Ziel, sie ist die Basis
Das Ziel von Steuerberatern war es immer, die Bücher zu führen, Jahresabschlüsse zu erstellen und die Steuerklärungen zu machen. Natürlich ist es nicht neu, dass Steuerberaterinnen auch beraten, doch häufig war dies eine zusätzliche Dienstleistung. Die Bücher zu führen war die Hauptaufgabe. Stell dir selbst folgende Fragen: „Was wäre, wenn die Buchführung nicht das Ziel wäre? Wie würde meine Branche dann aussehen?“ Wie wäre es, wenn die Buchführung so wäre, wie das Fundament, um eine neues Haus darauf zu bauen? Ohne Fundament kein Haus – jedenfalls kein stabiles. Der Kunde dessen, der das Haus baut, denkt selbst nicht über das Fundament nach. Der Kunde sieht die neue moderne Küche oder die Glastüren in den Garten oder den soliden Holzboden, der dem Haus eine warme Ausstrahlung verleiht. Das sind die Ziele der Kundinnen und Kunden. Davon träumen sie. Der Bauunternehmer versteht, was seinen Kunden wichtig ist und darüber spricht er mit ihnen. Die Tatsache, dass die wichtigste Arbeit mit darin besteht, das Fundament zu setzen, gehört nicht zu den Dingen, die der Bauunternehmer mit seinen Kunden bespricht.
Lange Zeit war es möglich, die Buchhaltung als das Ziel, das gewünschte Endresultat anzusehen. Der Staat verlangt saubere Steuererklärungen und Unterlagen; Unternehmer und Anteilseigner müssen die Finanzen ihrer Unternehmen verstehen können. Und auch wenn dies nach wie vor so ist, haben sich andere Dinge dramatisch verändert. Dank der technologischen Entwicklung können die Elemente des finanziellen Fundaments, aktuelle Finanzberichte und die Steuerklärungen besser, schneller und preiswerter erledigt werden als je zuvor. Zu allem Überfluss braucht man weniger Expertise für diese Prozesse. Der größte Teil der Buchhaltung kann von den Kunden selbst erledigt werden, ohne dass sie spezielle Kenntnisse in der Buchführung benötigen. Es ist beinah so, als würden die Kunden das Fundament für ihr Haus selbst legen und die Bauunternehmerin kommt nur, um letzte Hand anzulegen.
Was bedeutet das für dich, wenn die Buchhaltung nicht das Ziel ist, sondern die Basis? Was bedeutet es für dich, wenn du nicht länger so viel Geld mit der „Standardarbeit“ verdienen kannst, weil deine Kunden Software verwenden, um einen großen Teil der Basis selbst zu legen? Du folgerst daraus vielleicht, dass du viel mehr Kunden benötigst, um Geld in der gleichen Größenordnung zu verdienen. Das ist eine Möglichkeit. Doch ich glaube, dass es eine weitere Möglichkeit gibt. Ich glaube, dass du deinen Kunden dabei helfen kannst, ihre Häuser zu bauen. Ich glaube, du kannst ihnen helfen, ihre Unternehmen finanziell gesund und rentabel aufzustellen.
Wenn du deinen Kunden dabei hilfst, ein gesundes und rentables Unternehmen aufzubauen, dann bist du nicht länger ein Buchhalter, sondern ein Gewinnberater. Du bist nicht jemand, der einfach nur sicherzustellen hat, dass alle rechtlichen und steuerlichen Belange so preiswert wie möglich erfüllt werden, sondern jemand, der seinen Kundinnen dabei hilft, ihre Unternehmen auf Erfolg und Rentabilität auszurichten. Dies hat mehrere Effekte:
- Du kannst deine Kenntnisse und Fähigkeiten weit intensiver nutzen, was deine Arbeit spannender machen sollte.
- Dein Kunde bittet dich in einem weit größeren Feld um Rat als lediglich mit Blick auf Steuern und Verwaltung, was zu mehr Wertschätzung dir gegenüber führt.
- Deine Kundin ist bereit, mehr Geld für deine Dienstleistung zu bezahlen, weil du einen größeren Nutzen stiftest.
- Du benötigst weniger Kunden, um den gleichen (oder gar mehr) Umsatz zu erwirtschaften, sodass du deinen Kunden mehr Aufmerksamkeit schenken und mehr Nutzen bieten kannst, wofür du stärker geschätzt wirst.
- Du bist deiner Konkurrenz voraus und am Markt besser sichtbar. Es ist vollkommen klar, was du Unternehmern anbietest und welchen Nutzen du stiftest. Du bist weniger von der einfachen Buchhaltungsarbeit abhängig, sodass du deine eigene Zukunft sichern kannst.
Du fragst dich vielleicht: Wollen meine Kunden einen Gewinnberater? Kann ich diese Aufgabe erfüllen? Und wie gehe ich dabei vor? Das sind berechtigte Fragen. Die Antworten auf all diese Fragen findest du in diesem Buch.
Weiterlesen kannst du in
Femke Hogema, Gewinnberatung statt Steuerberatung. Die neue Rolle von Finanzfachleuten
Dies hier sind die Seiten 22-25 aus dem Buch.
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