Mein Freund Rodrigo und ich aßen gemeinsam zu Abend, als er mir erläuterte, dass sein Unternehmen 350.000 Dollar Jahresumsatz generiert, sein Gehalt jedoch unter dem Mindestlohn liegt. Während in der Ferne ein Gewitter aufzog, nahm ich die Serviette mit den wenigsten Flecken und notierte darauf Rodrigos Zahlen. Ich multiplizierte seine 350.000 Dollar Echte Einnahmen mit 35 % (aus dem Instant Assessment) und kam auf etwas über 122.000 Dollar. „Wie viele Inhaber arbeiten im Unternehmen?“, fragte ich. „Ich und noch einer“, antwortete er. Ich teilte das also durch zwei und kam auf ein Inhabergehalt von etwas über 61.000 Dollar pro Nase. Jedenfalls dann, wenn sie beide gleich viel arbeiteten und eine 50:50-Verteilung somit gerechtfertigt war.
Wie oben angesprochen, sollte das Inhabergehalt die Arbeit widerspiegeln, die Du wirklich machst. Als ich Rodrigo nach weiteren Details zu seinem eigenen Gehalt fragte, sagte er: „Ich zahle mir grob 30.000 Dollar pro Jahr, und mein Partner hat sich einen anderen Vollzeitjob gesucht, sodass er aktuell gar nichts entnimmt. Wir haben drei Vollzeit-Mitarbeiter, die je 65.000 Dollar pro Jahr kosten. Ich führe sie.“ Ich würde gern behaupten, dass ich schockiert war, aber dieses Szenario ist sehr weit verbreitet. Trotzdem habe ich gefragt, wie Rodrigo sich und seine Familie mit weniger als dem Mindestlohn ernährte. Ich vermutete, dass er Kreditkarten und Darlehen von seiner Familie nutzte und vielleicht eine Hypothek auf sein Häuschen aufgenommen hatte, um sein mageres Einkommen aufzubessern.
„Was würdet Ihr tun, wenn Eure drei Mitarbeiter am selben Tag beschließen würden, das Unternehmen zu verlassen?“, fragte ich. „Ich würde die ganze Arbeit selbst übernehmen, und mein Partner würde wieder mit einsteigen.“ „Und warum macht Ihr das nicht?“, fragte ich. „Weil ich dann in der Arbeit feststecken würde, und das Unternehmen könnte nicht wachsen“, erläuterte Rodrigo. „Ich möchte nicht das Tagesgeschäft erledigen; ich möchte das Unternehmen voranbringen.“ Rodrigo hatte die richtige Grundidee, aber er hatte den falschen Ansatz. In seinem Klassiker „Das Geheimnis erfolgreicher Firmen. Warum die meisten kleinen und mittleren Unternehmen nicht funktionieren und was Sie dagegen tun können“, den jeder Selbstständige lesen muss, erläutert Michael Gerber, dass wir an unserem Unternehmen arbeiten sollen und nicht im Unternehmen. Diese „Im und nicht am“-Philosophie ist perfekt und doch haben die meisten Unternehmer Probleme damit, sie umzusetzen. Am Unternehmen zu arbeiten, heißt nicht, dass man einen Haufen Leute einstellt, die das Tagesgeschäft erledigen, während man selbst den lieben langen Tag damit beschäftigt ist, ihre nie enden wollenden Fragen dazu zu beantworten, wie sie die Arbeit denn erledigen sollen (die Arbeit, die Du zuvor erledigt hattest). Am Unternehmen zu arbeiten, bedeutet Systeme aufzubauen. Punkt.
Rodrigo und so viele andere Unternehmer vergessen jedoch, dass Unternehmenswachstum nicht damit getan ist, dass man über Nacht einen Schalter umlegt. Du erledigst nicht jetzt die ganze Arbeit und dann über Nacht gar nichts mehr. Der Übergang vom Arbeiten im Unternehmen zum Arbeiten am Unternehmen vollzieht sich mit der Zeit – langsam, planvoll, Schrittchen für Schrittchen. (Erkennst Du ein Muster?) Das ist die Logik hinter den Inhabergehaltsanteilen im Instant Assessment – es gibt höhere Prozentzahlen für den Inhaber, wenn das Unternehmen noch winzig ist, und immer kleiner werdende Prozente, je größer das Unternehmen wird. Zu Beginn, wenn der Jahresumsatz im Unternehmen sich auf weniger als 250.000 Euro beläuft, bist Du nicht nur der wichtigste Mitarbeiter – es kann gut sein, dass Du der einzige Mitarbeiter bist. Wenn Dein Jahresumsatz unter 500.000 Euro liegt und Du einen oder zwei Mitarbeiter beschäftigst, dann bist Du immer noch der wichtigste Mitarbeiter. Und das bedeutet, dass Du etwa 90% der Arbeit erledigst. Du bringst den Speck nach Hause und brätst ihn selbst in der Pfanne. Während der restlichen 10 % Deiner Zeit dokumentierst Du alles, was Du tust, dergestalt, dass die anderen Mitarbeiter oder Subunternehmer die Arbeit ohne weiteres Zutun von Deiner Seite erledigen können. Im Grunde bist Du also 10 % Deiner Zeit ein echter Unternehmer (indem Du Systeme aufbaust) und ein hart arbeitender, hervorragender Vertriebler und Angestellter in Deinem Unternehmen während der anderen 90 % der Zeit. Deshalb bekommst Du am Anfang so ein großes Gehalt. Nicht mehr nur die letzten Überbleibsel am Boden der Schüssel. Du kannst nicht vom Mindestlohn leben oder gar darunter. Komm, sag’s nochmal mit Gefühl: Mein Unternehmen dient mir; nicht ich diene meinem Unternehmen. Dir selbst fast nichts für Deine harte Arbeit zu zahlen, ist Sklaverei. Beginne immer mit Deinen CAPs – wo Du jetzt stehst – und steigere jedes Quartal um 1 %.11 Wenn Deine Echten Einnahmen die 500.000 Euro überschreiten, verbringst Du mehr Zeit damit, Systeme einzuführen. Jetzt bist Du etwa 20% Deiner Zeit mit dem Aufbau von Systemen befasst, 10 % bist Du als Manager unterwegs und 70 % als Angestellter. (Und je besser Du im Aufbauen der Systeme bist, desto weniger Management ist notwendig, denn die Anleitung dafür, wie die Dinge abzulaufen haben, ist stabil.)
Während Deine Echten Einnahmen die Millionenmarke überschreiten, sinkt Dein Gehaltsanteil noch weiter, denn Du arbeitest immer weniger im Unternehmen, mehr und mehr am Unternehmen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Du immer in Deinem Unternehmen arbeiten wirst. Denn selbst wenn Du ein Meister des Systembaus bist und 80 % in diesem magischen Bereich verbringst, dann wirst Du noch immer etwa 20% Deiner Zeit damit verbringen, große Geschäfte zu begleiten. Beinahe jeder Unternehmer-und-Geschäftsführer ist für den großen Deal verantwortlich. Du kannst Deinen letzten Cent darauf verwetten, dass Jeff Bezos anwesend ist, wenn Amazon ein Hundertmillionen-Dollar-Geschäft abschließt. Und wenn Deine großen Deals anstehen, wirst Du genauso dabei sein und den Vorsitz führen. Ironischerweise ist der beste Weg, Systeme aufzubauen, indem Du ins Unternehmen zurückgehst.
Während Du dann die Systeme entwickelst und Dein Umsatz entsprechend ansteigt, kannst Du langsam großartige Leute aussuchen, die dann mit diesen großartigen Systemen arbeiten. Letztlich ist es doch so: Du solltest nicht Dein Gehalt zusammenstreichen, damit die Zahlen stimmen. Das Ziel eines jeden Unternehmens ist Gesundheit, und die erreichst Du durch Effizienz. Dein Martyrium hilft niemandem; wenn Du Dich zum Opferlamm machst, erreichst Du dadurch nicht mehr Effizienz, sondern Du schränkst sie ein.
Dieser Text ist ein Auszug (S. 95-97) aus der zweiten Auflage des Buches von Mike Michalowicz:
Profit First. Ein einfaches System, jedwedes Unternehmen von einem kapitalfressenden Monster in eine Geldmaschine zu verwandeln
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2., erweiterte und aktualisierte Auflage