Die vier Stufen des Unternehmertums

Die vier Stufen: mehr als nur Größenunterschiede

Symbolbild für das Modell der vier Stufen des UnternehmertumsAls ich 2004 mein erstes Unternehmen gründete, kannte ich kein Vier-Stufen-Modell. Ich wusste nicht einmal, dass ich es mit unterschiedlichen Rollen zu tun hatte. Ich war Verlegerin – und damit war ich in den Gründungsjahren auch Lektorin, Herstellerin, Einkäuferin, Buchhalterin. Ich war auch ganze Abteilungen wie Vertrieb, Marketing und so weiter. Zwischen meinen Verlag und mich passte keine Briefmarke. Frei nach Ludwig XIV., „l’entreprise, c’est moi“, war ich mein Verlag.

Selbst und ständig: die erste Stufe

Diese Symbiose hat viele Vorteile, vor allem in der Anfangszeit: Meine Vision ist die Vision meines Unternehmens. Meine Werte und meine Regeln sind die Werte und Regeln des Unternehmens. Das wird von mir so gesehen, von meinem Team und auch von außen, also von den Partner:innen und Kund:innen. Sofern ich als Unternehmerin authentisch und integer bin, gibt es an diesen Stellen weder Unstimmigkeiten noch Unsicherheiten.

Bei etwaigen Überlegungen zur Work-Life-Balance gibt es keine Fragen für mich als Unternehmerin, wenn mein Unternehmen und ich eins sind. Dann sind Arbeiten und Leben untrennbar miteinander verbunden. Ein bewusstes Ausbalancieren ist nicht notwendig, solange es von außen keine Beschwerden gibt.

Doch diese erste Stufe des Unternehmertums ist ein beständiger Tausch von (eigener) Zeit gegen Geld. Ich bin als Unternehmer:in der Engpass: Meine Zeit bestimmt, wieviel Wachstum möglich ist. Dieses „selbst und ständig“ begrenzt sowohl mich als auch mein Unternehmen. Was nicht bedeutet, dass dies nicht auch ein ganzes Leben lang durchgehalten werden kann – und wird. Vor allem Menschen, die in freien Berufen arbeiten, haben häufig keine Vorstellung davon, wie sie aus dieser Situation herauskommen könnten – und wollen es auch gar nicht.

Die zweite Stufe: Management

Als Gründer:in bist auch du möglicherweise Hans Dampf in allen Gassen. Doch weder kannst du ein ausgeglichenes Leben führen, noch kann dein Unternehmen wachsen, wenn du dabei bleibst, dass du dein Unternehmen bist und sämtliche Aufgaben selbst übernimmst.

So folgt für viele Unternehmer:innen alsbald eine zweite Stufe, in der Unterstützung eingekauft wird. Ob dies feste Teammitglieder oder Dienstleister:innen sind, spielt keine Rolle: Unternehmer:innen holen sich Dritte hinzu, die Aufgaben übernehmen. Als Unternehmer:in schlüpfst du damit in eine neue Rolle: Du wirst Manager:in.

Hier gibt es meiner Erfahrung nach eine ganze Reihe möglicher Bruchstellen, die bei vielen Unternehmer:innen dazu führen, dass sie nach einem ersten Ausflug ins Skalieren ihres Unternehmens wieder einen Rückzieher machen. Die Herausforderungen sind vielfältig: vom Mikro-Management über Vertrauensfragen, von Regelkonflikten bis hin zu Fluktuation. Aber natürlich auch die Herausforderungen im Bereich der Finanzen, die mit der Beschäftigung von Dritten einhergehen, oder der administrative Aufwand, der in Deutschland langsam groteske Züge annimmt.

Am häufigsten begegnet mir allerdings die Herausforderung in der Haltung der Unternehmer:innen selbst: „Bevor ich das erklärt habe, habe ich es selbst gemacht“ und „Ich kann das aber deutlich besser“, erklären rasch, woran dieser Schritt scheitern kann.

Die zweite Stufe bedeutet auch eine Entfernung der Unternehmer:innen von ihrem Unternehmen: Die Identität bekommt Risse, weil das Unternehmen Dinge unabhängig von den Unternehmer:innen macht. Das ist einerseits gewollt – denn nur, wenn auch andere operative Tätigkeiten übernehmen, ist eine Skalierung über die Unternehmer:innen hinaus möglich – andererseits aber auch beängstigend, da dies mit Kontrollverlust einhergeht. Deshalb kommen zu operativen nun notwendigerweise auch verwaltende, also Managementtätigkeiten hinzu. Vision, Werte und Regeln können verschriftlicht werden, um die Integrität des Unternehmens sicherzustellen.

Doch noch sind die Unternehmer:innen als Management im Tagesgeschäft des Unternehmens präsent, was sich erst mit der nächsten Stufe ändert.

Die dritte Stufe: AM Unternehmen …

Michael Gerber hat diesen Schritt in seinem „E-Myth“-Buch ausführlich beschrieben: In der dritten Stufe wechseln Unternehmer:innen in das Arbeiten AM Unternehmen im Gegensatz zu den vorherigen Rollen mit der Arbeit IM Unternehmen. Jetzt bröckelt die Identität von Unternehmer:in und Unternehmen noch stärker: Das Unternehmen kann sich quasi emanzipieren und erwachsen werden.

Allerdings funktioniert dieser Übergang nur dann, wenn im Unternehmen zuvor entsprechende Strukturen aufgebaut wurden. Es muss natürlich weiterhin die operative Arbeit erledigt werden und das Management im Sinne von Zuordnung von Ressourcen, Qualitätskontrolle und Trouble Shooting muss weiterhin funktionieren. Die Verantwortung dafür, dass diese Dinge weiterhin laufen, liegt bei den Unternehmer:innen, es sei denn, sie hätten auch die gesamte Geschäftsführung bereits übertragen. (Dies wäre die Voraussetzung für die vierte Stufe.)

Doch bevor wir dazu kommen, werfen wir noch einen Blick auf diesen vollständigen Rollenwechsel vom Operativen übers Management hin zum Unternehmertum im eigentlichen Sinne, denn auch hier gibt es wieder besondere Herausforderungen.

Wiederum kann menschliche Komponente zu Konflikten führen, denn nicht alle Teammitglieder sind mit den neuen Strukturen zufrieden. Als grobe Faustformel heißt es, dass ab einem Wachstum von 30% und mehr im Vergleich zum Vorjahr Umstrukturierungen notwendig werden. Dies bedeutet häufig, dass neue Hierarchie-Stufen eingezogen werden: Damit verändert sich nicht nur die Rolle der Unternehmer:innen, sondern aus Kolleg:innen werden Vorgesetzte – und das ist konfliktträchtig.

Vielfach haben Unternehmer:innen auf dieser dritten Stufe repräsentative Aufgaben, die Aufgabe für störungsfreien Zugang zu Ressourcen zu sorgen und die Rahmenbedingungen im Blick zu behalten. Doch gibt es bestimmte Umstände, die eine Rückkehr ins Management oder gar ins Operative zu verlangen scheinen. Dies sind meiner Beobachtung nach vor allem gravierende Veränderungen in den Rahmenbedingungen und damit im Businessmodell oder personelle Engpässe. Ich habe in den letzten Jahren zunehmend beobachten können, dass durch personelle Veränderungen und fehlende Nachfolgeregelungen Unternehmer:innen wieder in Schlüsselpositionen ihrer Unternehmen zurückgekehrt sind.

Sind aber alle Positionen im Unternehmen inklusive der Geschäftsführung gut besetzt, können Unternehmer:innen die vierte Stufe erklimmen.

Die vierte Stufe: ÜBER dem Unternehmen

In ihrem Buch „Business Wealth without Risk“ erläutern Roland Frasier und Jay Abraham den Übergang von der Unternehmer:innen-Rolle zur Rolle von Investor:innen. An dieser Stelle endet die „persönliche Verstrickung“ der Unternehmer:innen mit ihrem Unternehmen und sie betrachten es ganz und gar von außen. Jetzt sind sie nurmehr Shareholder, Gesellschafter:innen, die einen Anteil und damit ein Interesse am Unternehmen haben, aber nur in einem beschränkten Maße Einfluss ausüben können. Es gibt mehr oder weniger formalisierte Berichterstattung aus dem Unternehmen, aber keinerlei Anforderungen aus dem Tagesgeschäft oder dem Management.

Die unternehmerischen Aufgaben von Repräsentation, Ressourcen-Zugang und Kontrolle der Rahmenbedingungen sind, wie bereits alle übergeordneten Management-Aufgaben, an die Geschäftsführung übergegangen. Es gibt allenfalls Feedback aus dem Kreise der Investor:innen für das Unternehmen, kein aktives Eingreifen.

Vier Stufen: Ein Modell ist kein Abbild

Dieses Vier-Stufen-Modell ist genau das: ein Modell. Es hilft bei der Orientierung, beim Aufbau und Umstrukturieren eines Unternehmens, vielleicht auch dabei, persönliche Ziele zu formulieren.

Ganz grob gesprochen, ist ein Unternehmen zum Beispiel umso wertvoller im Falle eines Verkaufs, je weiter die Unternehmer:innen auf diesen Stufen nach oben geklettert sind. Wenn ich ein Unternehmen mit einem imaginären Umsatz von einer Million und einem Vor-Steuer-Gewinn von 300.000 Euro habe, ist es für meine Käufer:innen wertvoller, wenn ich mich als Gründerin bereits entbehrlich gemacht habe. Je mehr ich selbst noch in Richtung des Operativen ins Business involviert bin, desto mehr hängt das Unternehmen an mir als Person – und umso weniger werthaltig ist es für potenzielle neue Besitzer:innen.

Doch möchte ich, dass du noch etwas berücksichtigst, wenn du deine Rolle mit Blick auf dein eigenes Unternehmen überdenkst: Diese vier Stufen gibt es immer, unabhängig davon, worauf du dich als Unternehmer:in gerade fokussierst!

Während du dich also allein im Tagesgeschäft abrackerst und keine Zeit für nix hast, werden die Rollen Management, Unternehmer:in, Investor:in vernachlässigt. Andererseits gibt es Menschen, die ihr Unternehmen von vornherein so aufsetzen, dass sie allenfalls Managementtätigkeiten zu erledigen haben – alles andere kaufen sie ein. Das Operative wird von Dritten erledigt, die Weiterentwicklung des Unternehmens und der Unternehmer:innen selbst ist kein Anliegen.

Auch bist du nicht gezwungen, diese vier Stufen überhaupt zu gehen. Niemand schreibt dir vor, dass du aus deiner One-Person-Show ein Unternehmen machen musst, an dem du lediglich als Investor:in beteiligt bist. Dieses Modell soll dir lediglich aufzeigen, welche Optionen es geben könnte. Und dass du keineswegs an dem Punkt aufhören musst, an dem dein Unternehmen dich mit Haut und Haar verschlingt.

Weitere Inspiration

Mock-Up des Buches Abenteuer Wunschbusiness von Benita Königbauer Und falls du weitere Inspiration suchst, aus dem unternehmerischen Hamsterrad zu entkommen und stattdessen mit Freude motiviert dein Unternehmer:innenleben gestalten kannst, dann empfehlen wir dir das Buch von Benita Königbauer: Abenteuer Wunschbusiness.Energie, Leichtigkeit, Lebensfreude: Wie du mehr verdienst als nur Geld.

 

 

 

 

 

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