Urlaub ohne loslassen

Wenn wir als Unternehmer oder Selbstständige Urlaub machen, hängen wir zumeist noch via E-Mail am Unternehmen. Wir mischen uns in jede Entscheidung ein, derer wir habhaft werden können. Und unser Team hat „gelernt“ und „verstanden“, dass sie keine Entscheidung ohne uns treffen „können“.

Ein Blick zurück: Münzer statt E-Mail

Als mein Vater nach zwanzig Jahren Selbstständigkeit seinen ersten ernsthaften Urlaub antrat, gab es weder E-Mail noch Handys. Was aber niemanden davon abhalten muss, mit dem eigenen Unternehmen im beständigen Kontakt zu bleiben und zu „helfen“, wo das Team hilflos ist – oder gelernt hat, gefälligst hilflos zu sein.

Während mein Vater vorgab, in Südfrankreich den Urlaub zu genießen, steckte ich in einer für seinen  Wissenschaftsverlag Leske + Budrich wichtigen Verhandlung mit einem schwierigen Partner. Zu vorab verabredeten Zeiten rief mein Vater vom Münztelefon aus der Provênce an, um sich über Stand und Fortgang der Verhandlungen unterrichten zu lassen und entsprechende Weisungen zu erteilen.

(Im Buch „Never split the difference“ von Chris Voss – der früher als Unterhändler bei Geiselnahmen für das FBI tätig war – bin ich ähnlichen Situationen begegnet: Der Verhandlungspartner legt plötzlich auf (bei meinem Vater war das Kleingeld alle), ruft zur verabredeten Zeit an oder nicht (wenn der Münzer kaputt war und er erst nach einem anderen Apparat suchen musste) und man selbst kann ihn nicht anrufen. Natürlich ging es bei meinen Verhandlungen zum Glück nicht um Menschenleben!)

Zwischen digitaler Nabelschnur und neuer Freiheit

Heute ist es dank E-Mail, Handy und Online-Meetings einfacher denn je, wegzufahren ohne loszulassen. Davon können auch Angestellte ein Lied singen. Von ihnen wird häufig erwartet, dass sie 24/7 per Messenger antworten und E-Mails bearbeiten. Dank internationaler Tätigkeitsfelder und Zeitverschiebung hat der Arbeitstag über den Globus verteilt wahrlich 24 Stunden.

Für das Team ist diese Situation unhaltbar. Und es ist erwiesen, dass auch ein erfüllender Job in Erschöpfung und Burnout führen kann. Doch es kommt bei dieser Management-Haltung noch ein wichtiges Kriterium hinzu: Wenn wir als Chef unser Team laufend gängeln, suggerieren wir fehlendes Vertrauen. Bei beständiger Kontrolle und Micromanagement haben alle, die so beobeachtet werden, das untrügliche Gefühl, dass bei ihnen etwas nicht richtig ist. Dass sie nicht (ausreichend) kompetent sind und die Probleme übermächtig.

Erst wenn wir als Chef in der Lage sind, mit den Aufgaben auch die Verantwortung für das gute Ausführen dieser Aufgaben zu übergeben, können wir uns aus der „liebevoll-tödlichen Umarmung“ unseres Unternehmens befreien. Und erst dann können wir auch so Urlaub machen, dass wir uns wirklich und wahrhaftig erholen.

Wenn du genau wissen willst, wie du das „Projekt Urlaub“ angehen kannst, findest du eine systematische Schritt-für-Schritt-Anleitung dafür in „Clockwork: Damit dein Unternehmen läuft wie ein Uhrwerk“ von Mike Michalowicz.

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