Kerstin Lange, Autorin und Lektorin, spricht mit unserem Autor Reiner Lomb. Im Interview skizziert Reiner Lomb, wie Emotionen die Entwicklung der deutschen Gesellschaft in Ost und West seit dem Mauerfall geprägt haben und welche Emotionen es braucht, um auch die Mauer in den Herzen zu überwinden. Dass Emotionen einen positiven Effekt auf Führung haben kann, zeigt Reiner an diesem Beispiel eindrucksvoll. In seinem Buch „ASPIRE. Führen mit Emotionen“ erläutert Reiner sein ASPIRE Leadership-Modell, das diesem Ansatz zu Grunde liegt.
Kerstin Lange: Reiner du bist Autor des gerade in Deutschland erschienenen Buches „ASPIRE – Führen mit Emotionen“. In unserem letzten Gespräch hast du uns am Beispiel der friedlichen Revolution in der DDR gezeigt, welche Rolle Emotionen bei größeren gesellschaftlichen Veränderungen spielen können. Du beschreibst, wie dem kollektiven Handeln der DDR-Bürger und -Bürgerinnen zunächst ein emotionaler Wandel von Hoffnungslosigkeit, Angst, Pessimismus hin zu Optimismus, Mut und Inspiration vorausgegangen war.
Reiner Lomb: Ja, das ist das ist richtig. Kerstin Emotionen bestimmen, wie wir handeln und so war das auch bei der friedlichen Revolution damals 1989 in der DDR.
Kerstin: Eines der Probleme, das in Deutschland ja zur Zeit recht heftig diskutiert wird ist, dass auch nach über 30 Jahren Wiedervereinigung Deutschland immer noch geteilt zu sein scheint. Welche Rolle spielen deiner Meinung nach Emotionen dabei, bei dieser Teilung und wie könnte das Verständnis dafür uns helfen, diese Teilung zu überwinden.
Reiner: Ja, ich lebe ja schon 30 Jahre in USA und ich besuche Deutschland sehr häufig, habe Familie in Deutschland, bin sehr eng angebunden und bekomme natürlich sehr eng auch in den Gesprächen, Ost-West-Gesprächen mit, Gespräche mit beiden Seiten, Leuten, die aus Ostdeutschland stammen, als auch mit Leuten aus Westdeutschland und ich spüre die Spaltung sehr stark und ich spüre sie als Emotionen. Ich spüre Ressentiments. Ressentiment ist ja eine der Emotionen, die ausgelöst wird, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt und man möchte Gerechtigkeit herstellen. Ich spüre Misstrauen. Das ist eine der Emotionen die ausgelöst wird, indem ich dem Handeln der anderen oder den Absichten des anderen nicht vertraue. Das sind z.B zwei Emotionen, die ich, vielleicht auch andere, die ich sehe, die unsere Gesellschaft emotional Spalten. Und Emotionen sind etwas, was ich nicht so richtig greifen kann und deshalb auch schwierig zu überwinden ist.
Kerstin: Ja, mich erinnert das ein bisschen daran, dass ja schon 1982 der Autor Peter Schneider in seinem Buch „der Mauerspringer“ schrieb: „Die Mauer im Kopf einzureißen wird länger dauern, als irgendein Abrissunternehmen für die sichtbare Mauer braucht.“ Das kommt einem im Nachhinein schon fast hellseherisch vor. Was schlägst du denn vor, wie wir diese emotionale Mauer überwinden können.
Reiner: Ja, wir brauchen einen emotionalen Wandel. Also, ich habe zwei Emotionen beschrieben. Es sind sicher noch andere also wie Ressentiments als auch Misstrauen auf beiden Seiten, also in den Menschen, den Köpfen im Osten als auch im Westen. Wir brauchen einen emotionalen Wandel, wie damals den emotionalen Wandel, der zur friedlichen Revolution führte und zum Fall der Mauer, die Mauer überwand, auch hier die emotionale Mauer überwindet. Und den emotionalen Wandel, den ich vorschlage, ist hin zu mehr Empathie füreinander, für Mitgefühl und für Interesse. Empathie hilft mir, die Sorgen der anderen zu spüren, füreinander, Mitgefühl hilft mir, mich auch um die Sorgen zu kümmern, zu handeln, um wirklich zu verstehen. Das heißt, die richtigen Fragen zu stellen, zuzuhören, meine Vorurteile ein bisschen rauszuschieben, bevor ich mir ein Urteil erlaube. Das wären z.B drei Emotionen, die ich vorschlagen würde zu kultivieren, auf beiden Seiten, um die eine Brücke zu schlagen und um diese Spaltung zu überwinden.
Kerstin: Ja, das ist ja dann auch eigentlich eine Art, ja, inwärts blicken. Ein Nachdenken, wie gehe ich mit anderen Menschen um und wie kultiviere ich diese Emotionen, die für einen Wandel notwendig sind.
Reiner: Es ist richtig. Ich ürde aber auch vorschlagen, dass auf den Führungsebenen, auf allen Ebenen, Menschen, die Verantwortung haben, die gehört werden in den Medien und so weiter, dass die auch dafür sorgen, selbst diesen inneren emotionalen Wandel zu vollziehen, sodass sie richtig handeln, dass sie eine Brücke schlagen können und nicht in Vorurteilen verhaftet bleiben.
Kerstin: Ja, und du sagst ja auch, dass wir eine gemeinsame Vision brauchen, wie es sie damals gab, während der friedlichen Revolution. Hast du eine Idee, wie eine solche gemeinsame Vision aussehen könnte für Deutschland.
Reiner: Ja, um nochmal zurückzugehen auf die friedliche Revolution damals, dass ein Teil dieser Vision war, die Freiheit zu erzielen, Demokratie war, bestimmtes Verständnis von Demokratie war auch Teil dieser Vision, was die Menschen zum Handeln, zum emotionalen Wandel geführt hat und dann zum Handeln, um diese Veränderung zu erzielen. Und heute brauchen wir auch wieder eine gemeinsame Vision und meine Idee wäre, das auf gemeinsamen Werten zu basieren. Das heißt, was ist uns allen gemeinsam wichtig, egal ob ich im Osten groß geworden bin, oder im Westen. Ich könnte da z.B denken, dass beide, egal wo ich jetzt geboren bin und aufgewachsen bin, sich Sorgen um die Zukunft unsere Kinder machen, wenn ich jetzt z.B zum Klimawandel gehe oder das Thema Migration oder größere Teilung in der Gesellschaft. Was jetzt wirtschaftlich oder soziale Spaltung anbetrifft. Dass das alles, die das Wohlbefinden ihrer Kinder und Enkelkinder betrifft und dass man da einen gemeinsamen Nenner finden kann, eine gemeinsame Vision entwickeln kann.
Kerstin: Ja, das leuchtet mir auf jeden Fall ein. Ich fühle mich schon dabei inspiriert auch mitzuhelfen! Vielen Dank, Reiner, für dieses Gespräch und viel Erfolg mit deinem Buch „ASPIRE“.
Reiner: Vielen Dank, Kerstin!
Kerstin Lange hat insgesamt 4 Interviews mit Reiner Lomb geführt. Hier findest du die weiteren Aufzeichnungen:
Gutes Leadership geht nur über Emotionen
Mit Interesse in Führung
Optimismus – entscheidend für erfolgreiche Führung
ACHTUNG!
Am 26.10.2023 ab 16.30 Uhr feiern wir die große Bookparty für Führungskräfte mit Reiner Lomb!
Reiner Lomb ist der Gründer von BoomerangCoach, einer Coaching-Firma für Führungskräfte, die sich auf Führungs- und Karriereentwicklung, Innovation und Wandel spezialisiert hat. Reiners Mission ist, Führungskräfte zu mobilisieren und zu entwickeln, um eine nachhaltigere und positivere Zukunft für alle zu schaffen. Als Executive Coach arbeitet er mit Führungskräften und Changemakern in einer Vielzahl von Organisationen zusammen, von Startups und multinationalen Unternehmen bis hin zu gemeinnützigen Organisationen und lokalen Gruppen – alle mit dem Ziel, Veränderungen zu bewirken. Ganz gleich, ob er mit Führungskräften, Unternehmer:innen, Selbstständigen oder indigenen Stammesführern arbeitet, Reiners Kund:innen schätzen seine internationale Geschäfts- und kulturübergreifende Führungserfahrung.
Bevor er Executive Coach wurde, war Reiner mehr als 30 Jahre lang in der Technologiebranche tätig, gründete und entwickelte Softwareunternehmen und leitete die Entwicklung von Führungskräften.
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